P R O L O G
»Die freie Wahl? Nennst du das wirklich ›Freiheit‹?! Freiheit ist mehr als das! Es ist mehr als die Auswahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, und noch dazu so wenigen. Es ist die Möglichkeit, zwischen allem zu wählen, das überhaupt existiert. Und die Möglichkeit sich auch noch neue Dinge auszudenken, die noch nicht existieren, und diese zu wählen. Oder gar nichts zu wählen. Auch das ist Freiheit! Freiheit ist so viel mehr als das, wovon du gerade sprichst, werter Herr. Also bitte missbrauche dieses Wort nicht in meiner Gegenwart!«
»Ähm…« Hinter der Theke stand ein zutiefst verwirrter Wirt. »Wollen Sie nun ein helles oder ein dunkles Bier?« Abschätzend blickte er seinen Kunden an. »Oder vielleicht doch lieber nur ein Wasser?«
»Oh, du bietest mir also eine weitere Möglichkeit. Fantastisch!« Der höchst eigentümliche Mann streckte die Arme in die Luft und jubelte laut los. Dann winkte er dem Wirt herausfordernd zu. »Aber du hast doch sicher noch mehr! Komm schon! Überrasche mich!«
Dem Wirt gingen langsam die Ideen aus. Das war bei weitem der anspruchsvollste Kunde, der je in seinen Saloon gekommen war, geschweige denn in diese Stadt. Es kamen fast nur Arbeiter aus dem Steinbruch hier her, Stammkunden die sowieso jeden Tag nur dasselbe tranken, um ihre deprimierenden Leben ein wenig vergessen zu können.
Ein letztes Mal strengte er seine Fantasie an und presste schließlich doch noch eine Idee aus seinem Hirnlappen heraus: »Ich könnte alles mischen!« In seinem Kopf hatte die Idee weniger dämlich geklungen.
Den Kunden allerdings schien das nicht zu stören. Mit einem breiten Grinsen nickte er. »Mein Freund, ich bewundere deinen Einfallsreichtum! Genau das nehme ich!«
Jetzt hatte der Wirt wohl das Schwierigste geschafft! Er war froh, dass der Typ hier keinen Ärger machen wollte, sondern offensichtlich nur ein Vollidiot war. Es kamen zwar ständig seltsame Gestalten vorbei, Ganoven und Gesindel aller Art, aber wenn ihn tatsächlich mal jemand ausrauben wollte, war das nach ein paar wenigen Worten klar. Und dann stand meistens eine ganze Armee von Stammkunden bereit, um ihr zweites Zuhause zu verteidigen.
Der Fremde quasselte unablässig weiter. »Freiheit ist etwas Tolles. Man kann tun, was auch immer man will und man kann nie wissen, was man als nächstes tun wird, weil man ja auch nie so richtig weiß, was man will. Es ist einfach ein Abenteuer.«
Unterdessen mischte der Wirt dunkles und helles Bier mit ein bisschen Wasser in einem Krug zusammen. Es war ihm zwar fast zu schade um das schöne Bier, aber er musste das Gesöff ja auch nicht trinken.
»Ich fühle mich in letzter Zeit so frei! Heute will ich etwas trinken, aber was will ich morgen? Ich weiß es nicht! Haha!«
»Ich weiß es auch nicht«, seufzte der Wirt, der ganz genau wusste, dass er morgen wieder hier stehen würde. Er hielt dem Fremden das Getränk hin. »Das macht dann fünf Coins.«
Der Fremde hingegen riss ihm den Krug aus der Hand und nahm sofort einen großen Schluck. »Aaah! Das ist der Geschmack von Freiheit!«
»Wässrig und ekelhaft?«
»Undefiniert und nicht in Worte zu fassen!«
»Aha… Hör zu: Ich hätte jetzt gerne mein Geld.«
In einer etwas dunkleren Ecke des Saloons regte sich ein Schatten.
»Tja, jetzt kommen wir zum etwas peinlicheren Teil. Weißt du es ist so: Ich bin vollkommen pleite!«, strahlte er den Wirt unverschämt an. Dann nahm er noch einen weiteren Schluck, wohl wissend, dass es sein letzter sein könnte. »Sehen wir es einfach als ein kleines Gastgeschenk unter Freunden an, okay?«
Unterdessen näherte sich der Schatten aus der Dunkelheit.
»Nein, tun wir nicht!« Der Wirt wurde ungeduldig, also zog er wie in solchen Situationen üblich die alte Schrotflinte unter dem Tresen hervor und zielte damit auf den Mann. »Gib mir meine fünf Coins oder verschwinde von hier!«
Klick
Im verstummten Saloon hörte man, wie der Wirt seine Flinte entsicherte.
»Tu dir keinen Zwang an! Schieß doch! Ist deine freie Entscheidung.« Und ein weiterer Schluck. Bald war der Krug leer.
Der Schatten trat nun ins Licht. Es war ein zwei Meter großer Arbeiter mit einem hübschen, schwarzen Cowboy-Hut und einem Revolver, den er prahlerisch zur Schau stellte. »Macht der Typ hier Probleme, Franky?«
»Halt dich da raus, Briggs! Du bist angetrunken«, erwiderte der Wirt, der offensichtlich Franky hieß.
Briggs ließ allerdings nicht locker. »Ich könnte dem Bürschchen mal ein bisschen Manieren beibringen.«
»Oh, was für ein schöner Hut!«, erwiderte der seltsame Herr daraufhin, die Gefahr ganz und gar ignorierend. »Den will ich haben!«
»Grrr… Das ist meiner!« Knurrend zog Briggs seinen Revolver, woraufhin nun zwei Schusswaffen auf den fröhlich weiter vor sich hin trinkenden Mann gerichtet waren.
»Reiß dich zusammen, Briggs! Schieß ihm nur ins Bein, wenn er abhaut!«, versuchte Franky die Situation noch irgendwie zu entschärfen. »Immerhin wäre der Mord an ihm auch ein Verbrechen.«
Allerdings hatte er nicht ahnen können, was der Fremde nun sagen würde, nachdem er sich in einem letzten Zug die restliche Brühe rein gekippt hatte. Mit einem Rummslandete der Krug auf dem Tresen. »Ein Verbrechen? Nein, nein… Da habt ihr was falsch verstanden! Wartet. Ich hab euch doch gesagt, dass ich frei bin? Frei vom Gesetz, von jeglichen Regeln! Also, ich bin ein Gesetzloser. Genau!«
»Gesetzlos?« Das Wort zog raunend durch den Saloon. Oh nein! Das bedeutete doch…
Dieser Mann war ein Outlaw. Er hatte so etwas schlimmes getan, dass das Gesetz nicht mehr für ihn galt. Er war Freiwild. Man konnte ihm antun, was man wollte, ohne dafür bestraft zu werden!
Unbekümmert fuhr er seinen Vortrag fort. »Ihr seht also: Ihr könnt mich problemlos töten! Oder quälen. Mir irgendwelche Gliedmaßen abschneiden. Und diese essen! Was auch immer ihr wollt! Ihr seid mal wieder vollkommen frei in eurer Entscheidung.« Er schmunzelte, während das Tuscheln immer lauter wurde.
Inzwischen hatte auch der Letzte im Raum verstanden, was der Fremde war und jener Letzte war natürlich Briggs. Jetzt hielt er dem Mann die Knarre noch ein wenig direkter an den Kopf, war aber zum Glück schlau genug zu hinterfragen, warum der Typ ihm gerade all das erzählt hatte. »Dann nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle erschießen sollte!«, formulierte er sein Misstrauen.
»Hmm… Na, ich hab doch nur ein Bier gestohlen. Wenn das für dich Grund genug ist, hier und jetzt zum Mörder zu werden, kannst du gerne abdrücken! Und du willst doch sicher nicht, dass der arme Franky hier – So heißt du doch, oder? – dass Franky hier drinnen den ganzen Boden schrubben muss.«
Der gesamte Schuppen starrte ihn nur verdutzt an. Absolut niemand hier wusste, wie er reagieren sollte, bis auf Briggs, dessen Ego zu groß war, um sprachlos zu sein. »Wie ich sehe, hast du ebenfalls eine Waffe.« Dabei nickte er Richtung Gürtelhalfter des Fremden. »Ich fordere dich zu einem Duell heraus!«
Ein jähes Einatmen erfüllte die Luft und das Getuschel nahm wieder seinen Lauf, während der Herausgeforderte zu Lächeln begann. »Ich bin dabei!« Und mehr zu sich selbst fügte er hinzu: »Selbst wenn ich eine Wahl hätte, wäre ich dabei.«
Schließlich ließen die Männer ihre Waffen wieder sinken und die Leute im Raum jubelten plötzlich auf.
»Ja! Das wird ein Spektakel!«
»Endlich wieder ein Opfer für Briggs´ Revolver!«
Franky schüttelte nur seufzend den Kopf und meinte voller Mitleid zu dem Fremden: »Briggs wird dich erledigen. Er sieht zwar nicht so aus, aber er hat schon so einige Duelle gewonnen.«
Stille. Zwei Blicke stachen aus der Umgebung hervor. Vier Augen, die sich das angestrengteste Blickduell dieses Jahrhunderts lieferten… Dieses Jahrhunderts bis jetzt. Der Sand aus dem Steinbruch, der durch die Luft wirbelte und es den Augen nur noch schwerer machte, sich anzustarren. Einige andere Augenpaare irgendwo dazwischen, die zwar nur zuschauten, aber dabei der Spannung kaum standhalten konnten und angestrengt blinzelten. Hatte da einer der Duellanten gezuckt?
Irgendwo in der Ferne hallte ein lauter Knall wieder. Stein, der unter den Spitzhaken bröckelte. Geröll, das weit entfernt einen Hang hinunterrollte.
Immer noch nur die zwei Blicke, die so intensiv waren, dass sie förmlich die Staubwolke durchbohrten, die gerade vorüberzog.
Es würde keiner nachgeben, weder der Fremde, noch Briggs, der zwar immer noch angetrunken war, aber durch das Duell in einen unerschütterlichen Zustand der Konzentration gewechselt hatte.
Die Menschenmenge war da im Durchschnitt schon wesentlich betrunkener, aber auch hier wagte es kaum einer, auch nur einen Atemzug zu tun. Nur hin und wieder nahmen sie kleine Schlücke aus den Krügen, die sie einfach mit raus genommen hatten. Aber bloß nicht zu lange, denn sie durften nicht den entscheidenden Moment verpassen, wenn…
Die Wolke verzog sich langsam, wie ein Sandsturm, der sich legte, um Platz für eine andere Naturgewalt zu machen.
Ein Hund lief vorbei und blieb auf einmal stehen. Selbst das Tier spürte, dass etwas in der Luft lag. Oder vielmehr verriet es ihm sein tierischer Instinkt. Selbst der Hund wartete nur auf den Moment, wenn…
Dong
Die Uhr des Bahnhofs schlug zur vollen Stunde. Jetzt wurde es ernst. Der letzte Schlag würde das Startsignal sein.
Selbst der Fremde wirkte nun ein wenig nervös. Briggs lachte einmal gehässig, bevor er sich zusammenriss.
Dong Dong
Was Briggs allerdings nicht wissen konnte, war, dass der Fremde lediglich aus einem einzigen Grund nervös war: Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wie spät es war, und wusste demnach auch nicht, wie viele Schläge er warten musste. Wer hatte schon die Zeit dafür, immer zu wissen, wie spät es war?
Dong Dong
Der Fremde wollte auf keinen Fall zu früh schießen. Andererseits musste er ja gar nicht schießen… Wenn er es sich recht überlegte, wollte er gar nicht schießen.
Dong Dong
Ja, klar, das hier war ein richtiges Duell, ein wirklich ernster Schlagabtausch zweier Männer, den man verdammt nochmal mit Schusswaffen austrug. Aber seit wann hielt er sich schon an Regeln?!
Dong Dong
Er musste sich allerdings langsam entscheiden: Würde er nun schießen oder nicht?!
Dong Dong
Allerdings kannte er die Antwort schon, oder zumindest eine bessere Frage.
Er musste schmunzeln.
Was würde wohl ein freier Mann tun?!
Dong
Es war offensichtlich der letzte Schlag, denn eine Uhr schlug nie mehr als zwölf Mal.
Im Bruchteil einer Sekunde zog Briggs seinen Revolver aus dem Halfter. Er war wirklich gut darin. Er hatte das jahrelang geübt und war auch schon gegen echte Menschen damit angetreten. Dennoch hatte er jedes Duell überlebt. Das zeugte auf jeden Fall von seiner Kompetenz im Umgang mit Schusswaffen.
PENG
Wie in Zeitlupe drehten sich synchron alle Köpfe zum Fremden.
Jener fiel zur Seite. Er war getroffen. Sein Kopf war geneigt und er… Nein! Es war nur ein Ausweichmanöver gewesen. Mit einer tänzerischen Bewegung schwang er sich wieder in Position.
Einen Moment lang rührte sich nichts. Alle waren gespannt, wie es nun weitergehen würde. Selbst Briggs war überrascht, dass jemand seinem Schuss hatte ausweichen können.
Der Fremde verharrte noch einen Moment in seiner stillen Haltung. Dann hob er plötzlich den Kopf, grinste frech und begann auf einmal loszurennen.
Das hatte noch keiner der Anwesenden je erlebt: Ein Pistolenduell, bei dem einer der beiden Akteure auf den anderen zu rannte, anstatt zu schießen.
Auch Briggs konnte sich keinen richtigen Reim darauf machen. Allerdings war es nun wesentlich leichter für ihn, diesen gesetzlosen Wirrkopf zu treffen, wenn der ihm freundlicherweise auch noch entgegen kam.
PENG PENG
Diesmal feuerte er gleich zwei Kugeln, wieder aus der Hüfte, um keine Zeit beim Zielen zu verschwenden. Auf die zehn Meter war es mit ein wenig Übung quasi unmöglich so ein großes Ziel zu verfehlen.
Wieder gingen beide Schüsse daneben. Der Fremde war einfach zu unberechenbar. Spielerisch tänzelte er umher und schwang sogar so eine Art Pirouette, um der zweiten Kugel auszuweichen.
Na gut, dann würde Briggs eben zielen. Verunsichert hob er die Arme und legte an, um die Schmach endlich zu beenden. Genau auf den Kopf…
PENG
Der Fremde hatte sich in diesem Moment seinen eigenen Hut vom Kopf gezogen. Jetzt hielt er nicht mehr als einen durchlöcherten Fetzen Leder direkt über seinem Kopf in die Höhe. Er hatte es irgendwie geschafft, noch unter dem Schuss hindurch zu tauchen. Jetzt waren es nur noch ein paar Schritte und in dem Moment war Briggs klar, dass das vermutlich seine letzte Gelegenheit war, also zielte er nochmal, aber diesmal auf das Herz, denn das war leichter zu treffen.
PENG Kling
Keiner der Anwesenden konnte es so richtig erkennen. Man hörte nur das Geräusch von Metall auf Metall. Dieser Schuss hätte das Herz des Fremden auf direktem Weg durchbohrt. Das hätte er wirklich, jeder konnte es fühlen, wie viel Gewalt und Gefahr darin gesteckt hatten. Doch aus irgendeinem Grund stand der Mann noch. Und noch dazu hatte er plötzlich ebenfalls seine Waffe gezogen.
Man konnte nur vermuten, dass er die Kugel irgendwie damit abgefangen und umgelenkt hatte, wie auch immer das geklappt haben sollte. Doch keiner im Publikum hatte genug Fantasie, um sich so etwas vorzustellen. Um genau zu sein, gab es nur eine einzige kleine Person hier, die tatsächlich schlau genug war, um sich so etwas vorzustellen. Sie stand in der Gasse aus der auch der Hund gekommen war und konnte es kaum fassen.
Ein etwas milchig schimmernder Revolver wurde nun von dem Fremden mit festem Griff der Sonne entgegen gestreckt. Die Form war irgendwie anders als bei gewöhnlichen Waffen und der Revolver schien auch aus einem anderen Material zu sein. Unter dieser dünnen Schicht aus Sand und Schmutz schien etwas zu stecken, das mehr war als nur eine Waffe.
Allerdings war der Kampf noch nicht zu Ende und der Fremde legte gemächlich die letzten zwei Schritte zurück, während er den Lauf seiner Waffe auf Briggs Kopf richtete, der geistesgegenwärtig genug war, bei seinem Gegenüber dasselbe zu tun.
Metall auf Stirn, Stirn auf Metall.
So war ein Duell wohl noch nie ausgegangen… Aber wer hatte nun eigentlich gewonnen?!
»Ähm…«, begann der Fremde endlich wieder zu quasseln. »Es ist mir jetzt ein wenig peinlich, darauf hinzuweisen – sicherlich hast du es selbst schon gemerkt – aber du hast keine Kugeln mehr!«
Klick
Es war unerklärlich, warum Briggs nun abdrückte. Entweder konnte er nicht zählen, oder er hoffte auf ein Wunder, welches jedoch ausblieb. Es klickte nur einmal leise und sein verzweifelter Gesichtsausdruck verriet, dass er sein Schicksal bereits akzeptiert hatte.
»Ach… So was blödes!«, seufzte der Outlaw, »Jetzt habe ich doch tatsächlich gewonnen. Dabei ist mir gar nicht danach, heute noch wen umzulegen! Hach, schade…« Er kratzte sich am Kopf, sah sich einmal um, schaute in die Gesichter der Anwesenden, erblickte seinen kaputten Hut auf dem Weg und atmete einmal lange und ausgiebig aus. »Wie wäre es damit: Du bezahlst einfach meinen Drink vorhin, und alle sind wieder glücklich! Du musst nicht enttäuscht sein. War doch alles nur Show hier! Also ich hatte viel Spaß! Danke.«
Briggs, zu durcheinander um etwas erwidern zu können, sackte auf den Knien zusammen. Irgendwie war das alles ein bisschen zu viel für ihn gewesen.
»Nur eine Sache wäre da noch: Du schuldest mir einen Hut!« Ohne lange zu zögern, griff der Gesetzlose nach Briggs´ großem, runden Hut.
Weiterhin nichts als Stille. Dieser Mann hatte etwas an sich, das alle verstummen ließ, aber es war ihm gleichgültig. Er verbeugte sich noch einmal vor Briggs, vor Franky, dem Wirt, und winkte dem Publikum zu. Er wirkte auf einmal so freundlich, obwohl er im Saloon so frech und besserwisserisch aufgetreten war. Nur hatte leider keiner die Nerven, nun auf diese Freundlichkeit einzugehen.
Das war mit Abstand das Ungewöhnlichste, was diese einfachen Arbeiter je erlebt hatten.
»Wie oft hat die Uhr nochmal geschlagen? Zwölf Mal, oder? Haha! Wie die Zeit doch verfliegt. Ich muss los!«
Und so abrupt, wie er gekommen war, war er auch wieder weg, wie ein Sturm, der zwar ein wenig die Luft durchschüttelte, aber am Ende war wieder alles wie zuvor.
Der Hund war inzwischen wieder in die Gasse zurück getrottet. Nur der eine ganz spezielle Zuschauer des Duells mit den struppeligen Haaren stand immer noch wie angewurzelt da, denn nicht alles blieb von so einem Sturm unbeeinflusst, und dieser verschmutzte, kleine Junge war gerade förmlich weggeblasen worden. Tatsächlich würden die Böen dieses Sturms seine Flügel auch noch Jahre später durch die Welt tragen.
Er stand noch eine ganze Weile dort, und versuchte dieses Gefühl zu verstehen, das er eben zum ersten Mal gespürt hatte. Die Realität seines Alltags sah leider ein wenig anders aus. Sein Leben war nicht so aufregend, so ungezwungen und so unberechenbar wie das Leben dieses Outlaws, den er eben beobachtet hatte. Sein Leben war im Grunde das genaue Gegenteil.
Doch wie jedes Mal, wenn ihn seine Realität niederzuschmettern drohte, richtete er den Blick zum Horizont. Er erblickte dort in weiter Ferne die Skyline. Sie erinnerte ihn jedes Mal daran, was er im Leben erreichen wollte. Sie gab ihm ein Ziel. Sie gab ihm Hoffnung. Die Skyline rief nach ihm.
Und einmal mehr verstand er, dass er nur als Outlaw diesem Ruf Folge leisten konnte.